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Oberes Belvedere

Max Kurzweils Biografie liest sich beinahe wie die Vorlage zu einer Novelle aus dem Wien um 1900, und auch sein Werk zeugt von einem leidenschaftlichen Temperament. Hundert Jahre nach seinem Tod und fünfzig Jahre nach der letzten Einzelausstellung im Belvedere zeigt die Schau neben bekannten Hauptwerken zahlreiche bisher unbekannte oder nur selten ausgestellte Gemälde und Grafiken. Das Bildnis der Therese Bloch-Bauer, Schwester der von Klimt porträtierten Adele, ist dabei eine sensationelle Wiederentdeckung, denn das Gemälde ist erstmals seit 1908 öffentlich zu sehen.

Kaum eine Persönlichkeit verkörpert den Geist der Wiener Moderne um 1900 so typisch wie Max Kurzweil. Obwohl oder gerade weil Kurzweil nie im Mittelpunkt der Wiener Kunstszene stand, als wortkarg und verschlossen galt und keinen revolutionären Impetus an den Tag legte, könnte seine Lebensgeschichte durchaus aus der Feder von Arthur Schnitzler stammen. Sie beinhaltet alles, was für eine spannende Novelle nötig ist: ein junger Mann aus dem wohlhabenden Großbürgertum, Dragoneroffizier, aber auch Lebemann und erfolgreicher Kunstmaler, verheiratet mit einer jungen Französin, deren Schönheit für Aufsehen sorgt, die aber in Wien nicht glücklich ist, an Heimweh und Depressionen leidet. Die Ehe bleibt kinderlos, und auch Kurzweil selbst ist häufig niedergeschlagen und antriebslos. Kurzweil schwankt ständig zwischen einem ungezwungenen Künstlerleben und den Konventionen seiner großbürgerlichen Herkunft. Die meiste Zeit bereits getrennt von seiner Frau lebend, beginnt er in fortgeschrittenem Alter eine Affäre mit einer seiner Schülerinnen. Die Liaison wird von deren Vater entdeckt und verboten. Der im Ersten Weltkrieg als Kriegsmaler zum Militär eingerückte Kurzweil trifft sich mit seiner Geliebten während eines Diensturlaubs ein letztes Mal in seinem Wiener Atelier, wo sich beide mit Kurzweils Dienstpistole das Leben nehmen.

Vom Impressionismus zu Symbolismus und Expressionismus

Kurzweil studiert Malerei an der Wiener Akademie der bildenden Künste und der Académie Julian in Paris. Ab 1893 verbringt er die Sommer in der bretonischen Hafenstadt Concarneau, wo er 1895 Marthe Guyot, die Tochter des Vizebürgermeisters, heiratet. Licht und Farbe erhalten nun in seinen Werken zunehmend einen Eigenwert und sprechen als symbolische Mittel mit. Gilt sein Interesse anfangs noch der Genremalerei in der Tradition des französischen Naturalismus, wendet Kurzweil sich zunehmend dem Impressionismus zu. Seine Begabung verschafft ihm bereits in jungen Jahren Erfolge in den Ausstellungen des Künstlerhauses. Als Gründungsmitglied der Secession beschäftigt er sich zugleich mit symbolistischen und esoterischen Themen, lernt wohl von Emil Orlik die Kunst des japanischen Farbholzschnitts und macht sich vor allem als Porträtist einen Namen. Sehr früh entstehen auch Bilder in der Auseinandersetzung mit dem noch jungen Expressionismus.

Kurzweil ist vor allem als Porträtist der Wiener Gesellschaft bekannt. Sein Bildnis der Therese Bloch-Bauer, Schwester der von Klimt gemalten Adele, wird in der Ausstellung erstmals seit 1908 öffentlich zu sehen sein. Intime Porträts seiner französischen Frau Martha bilden einen weiteren Höhepunkt, ebenso die impressionistischen Landschaften aus der Bretagne, Italien und Dalmatien. Das expressive Spätwerk, insbesondere die Aktbilder, zeugen von einem leidenschaftlichen Temperament, das der aus wohlhabenden Verhältnissen stammende Gentleman nur im Geheimen auslebte.