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Projekte zur Bestätigung des Neuen I PROUN. Andreas Rost & El Lissitzky
01.12.2023 — 14.01.2024

Ab Freitag zeigt das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) in der Kabinettausstellung Projekte zur Bestätigung des Neuen I PROUN Andreas Rosts (*1966) Serie „Projekte zur Bestätigung des Neuen“ von 2016 im visuellen Dialog mit El Lissitzkys (1890–1941) Arbeiten der PROUN- Serie aus dem Bestand des Kunstmuseums. Das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) ist neben dem Sprengel Museum in Hannover das einzige Museum in Deutschland mit einem umfangreichen Konvolut von Werken des russischen Konstruktivisten
El Lissitzky – bestehend aus insgesamt 60 Arbeiten. Dass sich 2023, gut 100 Jahre nach Lissitzkys Arbeit an seinem PROUN-Projekt, mit der sich darauf beziehenden Werkgruppe des renommierten Fotografen Andreas Rost die Gelegenheit bietet, beide Positionen in einer Ausstellung und einer begleitenden Publikation zusammenzuführen, ist für das Kunstmu- seum des Landes Sachsen-Anhalt ein Glücksfall – vor allem auch vor dem Hintergrund der politischen Aktualität und Brisanz der Beziehungen bei- der Œuvres zu Russland und Belarus. „Wenn ein zeitgenössischer Künstler sich mit dem Werk eines so bedeuten- den Kollegen aus der Vergangenheit mit dem Abstand von hundert Jahren beschäftigt und aus seiner eigenen erlebten Gegenwart und in Auseinander- setzung mit der kunsthistorischen Inspiration etwas Neues, Eigenes schafft, dann ist das gleichsam ein Glücksfall für ein Museum. Entstanden ist eine raumkünstlerische Gesamtkomposition, die in sich – einmalig und ortsspezi- fisch – ein neues großes Werk geworden ist. Erleben kann man Rosts kreative Auseinandersetzung mit dem Scheitern der Utopien der Moderne und den Widersprüchen gegenwärtiger – aber auch historischer – Diktaturen so nur in dieser Ausstellung.“ Thomas Bauer-Friedrich

Der Fotograf Andreas Rost nahm 2016 während eines Aufenthaltes in Minsk bei nächtlichen Streifzügen durch die Stadt die Formenwelt der stalinistischen Baukunst auf, die für ihn stellvertretend für das Menschenverachtende totalitärer Gesellschaftssysteme steht.

Für die Ausstellung kombiniert er diese dramatisch inszenierten Architekturfotografien mit Porträts von ekstatisch tanzenden Besuche- rinnen und Besuchern einer belarussischen Underground Veranstaltung, die, so Andreas Rost, eine Jugend zeigen, die „mit unbändiger Kraft aus diesem System ausbrechen möchte“. Das war noch vor den Massenpro- testen anlässlich der Wiederwahl Alexander Lukaschenkos 2020. Und vor dem Ukraine-Krieg, der die Welt seit Februar 2022 erschüttert.

Der Ausstellungsraum lässt an El Lissitzkys „Kabinett der Abstrakten“ denken, das 1927 im Hannoverschen Provinzialmuseum eröffnet wurde. Hier verband Lissitzky den zeitgenössischen Sammlungsraum mit seinen künstlerischen Ansichten: Schwarz-weiße Wandlamellen änderten die Raumwirkung je nach Standpunkt der Besucherinnen und Besucher und verschiebbare Kassetten und Drehvitrinen ließen variable Kombinatio- nen in der Anordnung der präsentierten Werke zu. Passive Kunstberieselung wurde zu aktiver Wahrnehmung und Irritation.

Wenn Andreas Rost nun fast 100 Jahre später in der Nordbox des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) den belarussischen Sternenhimmel am Tag der Verhaftung der belarussischen Oppositionellen Maria Kalesnikava am 7. September 2020 auf den Boden legt und seine Fotografien teils als Tapete an die Wand bringt und mit der PROUN- Mappe von El Lissitzky bedeckt, wirft er Kernfragen der Moderne und der Konstruktivisten der 1920er Jahre auf, die zwischen Ideal und dessen kompromissloser Durchsetzung liegen. So sucht er, im ambivalenten Spannungsverhältnis zwischen Ziel und Realität Vergleichbares im Hier und Jetzt zu finden.