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Kontaktzonen Teil 2: Besetz mich! – The Pleasure of Occupation
15.09.2021 - 04.10.2021
Eröffnung am 14.09.2021 um 19:00 Uhr

Was passiert, wenn der öffentliche Raum, der für alle Körper in ihrer Verletzlichkeit mehr oder weniger bedrohlich sein kann, lustvoll vereinnahmt wird? Im Rahmen von Kontaktzonen beschäftigte sich Julia Lübbecke im Rückgriff auf eigenes und historisches Bildmaterial mit der Zartheit von Körpern in städtischen Räumen. Dabei schwingt die Ambivalenz von Ausgesetztsein und Besetzen öffentlicher Orte und ihrer Architekturen mit, die auch schon im Titel anklingt. In ihren beiden Collagen „Besetz mich! – The Pleasure of Occupation“, die an verschiedenen Orten in der Hildesheimer Innenstadt zu sehen sind, geht Julia Lübbecke dieser Ambivalenz nach. Sei es in Form von Videocollagen, skulpturalen Installationen im Raum oder Plakatwänden: In Julia Lübbeckes künstlerischer Praxis spielen zunächst Prozesse der Recherche und des Archivierens eine bedeutende Rolle, wobei das subjektive Archiv im Vordergrund steht. Ihr Arbeitsprozess beginnt häufig mit der Lektüre von Texten, die sich mit intersektionalen, queer/feministischen Diskursen beschäftigen. Sie eignet sich disparates Videomaterial an, sammelt Bildmaterial aus historischen (Bild-)Archiven und in ihrem eigenen Fotoarchiv. Aus diesen Sammlungen schöpfend entstehen multimediale Arbeiten, die sich für das interessieren, was in der bewussten Anordnung unterschiedlicher Materialien sowohl auf der Motiv- als auch auf der Inszenierungsebene entstehen kann, wenn sie etwa Gipskartonplatten im Raum anordnet, diese zu Skulpturen werden, die einander stützen und gleichzeitig Trägermaterial sind für Bild- und Textebenen. So entstehen komplexe Strukturen, die Bedingungen des Zeigens reflektieren und hegemoniale Geschichtsdarstellungen in Frage stellen.

Neben Zeichnungen sowie Fotografien aus dem öffentlichen Stadtraum sind in die beiden Collagen „Besetz mich! – The Pleasure of Occupation“ historische Archivaufnahmen eingearbeitet: Die Hand einer Näherin aus einer so genannten Arbeiterfotografie aus dem Jahr 1930 neben verschiedenen Formationen von gesplittertem Glas. Ein Sitzender aus Stein, im öffentlichen Raum in Pankow, der seinen Kopf lasziv zum Himmel gereckt hat, seine steinerne Ohrmuschel ist zu erkennen. Das zartgelbe Innenleben einer Matratze, das der neben ihr liegenden Zeichnung einer Zunge nahekommt. Oder die Venus, die sich als Zeichen ihrer Versehrtheit einen Dorn aus dem Fuß zieht. Bandagen, die ein Gesicht verbergen. Diese und andere Elemente versammeln sich zu einem präzise arrangierten Bildraum, der in Kontakt mit dem städtischen Raum Hildesheims geht. Was bedeutet es, wenn Körper sich in den öffentlichen Raum begeben? Welche Körper finden wir dort, abseits der menschlichen, vor? Wer zeigt sich auf welche Weisen?

Die Ausstellung wurde von Nora Brünger kuratiert und zusammen mit dem Ausstellungsteam durchgeführt.

Ausstellungsteam: Theresa Tolksdorf (kuratorische Assistenz), Maria Nesemann (Leitung Kunstvermittlung), Nina Toledano (Praktikum)