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Christoph Büchel (geb. 1966) wurde vor allem durch spektakuläre Rauminszenierungen bekannt und gehört zu den meist beachtetsten und provokantesten Künstlern seiner Generation.

Auch wenn sie noch so apokalyptisch erscheinen: Die Räume, die der Schweizer Künstler Christoph Büchel entwirft, sind realer als uns lieb ist. Wir kennen sie aus Filmen (namentlich Science-Fiction oder Katastrophenfilmgenre), aus den täglichen Nachrichten, von Zeitungsphotos - vor allem aber aus unseren Albträumen, aus unseren verdrängten Phobien und Neurosen. Christoph Büchel scheucht uns mit seinen scharf beobachteten Szenarien durch die Hinterzimmer des eigenen Kopfes, durch die Katakomben des kollektiven Unterbewusstseins. Diese Räume sind weniger Fiktion oder Zukunftsvision, als vielmehr konsequent durchexerziertes, hyperrealistisches „worst case scenario“.

Christoph Büchel verwischt in seinen „real life“-Environments die sichere Distanz zwischen Werk und Betrachter. Er dringt mit roher Gewalt in die gegebene Struktur - die Institution, den “White Cube“ – ein, bis von ihr nichts mehr übrig bleibt, und setzt den Betrachter nicht gerade zimperlich mitten ins Bild. Seine Inszenierungen sind kompromisslos, zynisch, surreal – und gleichzeitig höchst authentisch. So baute er z.B. die Wohnung einer fiktiven Person, die nichts wegwerfen kann, nach, oder ließ eine Schlammlawine in ein Wohnzimmer im Museum sausen. Für seine Installation Shelter II (2002) entwickelte er ein labyrinthartiges Rhizom thematisch verschiedener und durch ein gigantisches Röhrensystem verbundener, klaustrophobischer Räume als eine Art physisch erlebbare Psycho-Matrix. Wir werden gezwungen, die Rolle des passiven Zuschauers zu verlassen. Und werden selbst - oft unter vollem Körpereinsatz - zu Akteuren bzw. zu „Betroffenen“. Die individuellen Geschichten der fiktiven Bewohner, die gerade erst die Szene verlassen zu haben scheinen, übertragen sich dabei ganz unmittelbar auf uns.

Die Arbeit CLOSE QUARTERS, die Christoph Büchel für den Kunstverein Freiburg neu entwickelte, greift die Geschichte dieses Ortes thematisch auf: Ein 1938 erbautes Hallenbad, das in den 90er Jahren zu einer Kunstinstitution umfunktioniert wurde, wird nun wieder zur Sporthalle umgebaut. Diese wird nach gängiger Praxis erneut zweckentfremdet als Auffanglager für Asylbewerber. Wie lange die imaginären Personen in den dicht gedrängten, provisorisch ausgestatteten und mit persönlichem Hab und Gut angefüllten Parzellen bereits leben, bleibt offen. Die Gegenstände verweisen auf verschiedene Kulturen und individuelle Schicksale. Die einzelnen Räume werden zu Metaphern für entwurzelte Lebensentwürfe, die wiederum in absurdem Gegensatz zu der sie umgebenden institutionellen Situation stehen und im Labyrinth der notdürftig errichteten Behausungen aufeinander prallen.

Wie in vorausgegangen Arbeiten geht es auch in CLOSE QUARTERS um die akute Fragilität von „Heimat“, um die Ambiguität des Begriffs „Heim“, um Existenzen, denen die Kontrolle über ihr Leben entglitten ist. Im minutiös arrangierten Chaos werden reale, gesellschaftliche oder politische Zustände anhand fiktiver Biografien offen gelegt, und mit den Mitteln einer Kunst, die zwischen Installation und Agitation, zwischen Fiktion und Realität operiert, auf uns zurück projiziert. Eva Scharrer

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Christoph Büchel - Close Quarters