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Der Blick aus dem Fenster oder hinein ist ein fotografischer Reflex. Die erste noch erhaltene Fotografie war ein Blick aus dem Studio von Ni c é p h o r e Ni é p c e. Bis heute ist die Wechselwirkung des Fensterrahmens und der Bildbegrenzung ein Thema, das Künstler auf unterschiedlichste Weise neu formulieren. Dabei ist der Blick nach Außen oft ein Blick in das Innenleben des Künstlers.

Die Ausstellung zeigt junge europäische fotografische Positionen zum Thema Fenster. Das kann ein Blick aus dem Fenster oder auf ein Fenster oder in ein Fenster hinein sein. Immer verbunden mit der Diskrepanz, dass hier dem Blick eine erobernde Freiheit gewährt wird, die dem Körper versagt bleibt.

Thomas Bachler fotografiert weitwinklig an Fensterscheiben der Provinz entlang. Die schwarz/weiss Serie zeigt so Innen- und Außenräume als bipolare Partner in Korrespondenz

Laure Bertin´s Fotografien entstehen in der Nacht. Immer wenn in Bürogebäuden noch Licht und Arbeit vorhanden ist. Das Innenliegende Geschäftige erscheint dabei dem Passanten gut ausgeleuchtet wie auf einer Bühne.

Bettina Cohnen konstruiert mit fotografischen Werkreihen eine Geschichte, in der ein Fenster eine zentrale Rolle spielt, ohne zu verraten, was sich dahinter abspielt.

Bruno Dorn fotografierte den Blick aus dem Wohnzimmer der Eltern in den Garten hinaus. Die auf dem Fensterbrett stehenden Mitbringsel von Reisen stehen in direktem Konstrast zur aufgeräumten deutschen Idylle.

Sylvia Henrich zeigt unerreichbare, fast unfassbare Wirklichkeiten, die wir durch Scheiben zuweilen betrachten dürfen. Durch Flugzeugfenster, Taucherbrillen und Doppelglasscheiben.

Sabine Hornig´s großformatige Ansichten zeigen leere Ladenlokale. Die sonst so sauberen Schaufenster sind verhangen oder verschmutzt und trüb. Ein blinder Fleck in der sonst so hyperrealistischen Warenwelt.

Veronika Kellndorfer bereiste Paris um dort ein Fenster zu fotografieren, das Ellsworth Kelly als Vorlage für sein „Window, Musée d’art Moderne, Paris, 1949“ gedient hatte. Gerade in diesem Moment waren Fensterputzer am Werk.

Andreas Koch entwickelte aus vielen Einzelbildern eine Kamerafahrt aus seiner Küche heraus durch den Innenhof bis in die Wohnung seines gegenüberliegenden Nachbarn hinein. Die beiden Fenster, die im Wege stehen durchdringt er mit dieser Technik mühelos.

Mariya Kozhanova zeigt das melancholisch-poetische Bild des uns von der Welt trennenden Fensters. Von außen nach Innen fotografierten Personen an Fenstern scheinen sich an einen anderen Ort zu sehnen.

Oliver Möst fotografierte eine Aufzugfahrt. Durch ein kleines Bullaugenfenster erhascht man unscharf an jeder Etage einen kurzen Blick in diese. Doch vorrangig entdeckt man dort nur die Ziffer des Geschosses und den gespiegelten Fotografen.

Karen Stuke stellt Ihre Kamera in Drehrestaurants von Fernsehtürmen weltweit und fängt die vorbeiziehenden Lichter der Städte in langer Belichtungszeit ein, so dass der sonst so überwältigend klare Überblick sich im Medium auflöst.

Norbert Wiesneth zeigt in der Reihe Schicht die eigentliche Substanz der Scheibe als Träger einer Geschichte. Erst durch das zerbrechen des Glases erkennen wir die Fragilität der Trennung vom benachbarten Raum.

Sinta Werner hat komplexe Gebäudescheibenkonstellationen als Ausgangspunkt einer räumlichen Arbeit genommen und stellt die Situation mit Großformatdias nach.

Gabriele Worgitzki erschafft mit Lochkamerafotografien aus dem Zugfenster der transsibirischen Eisenbahn einen Film, der die Landschaft von Europa bis China analysiert.

Eine Replik der Originalarbeit von Niépce bildet die historische Klammer der Ausstellung. Sie macht deutlich, welchen Weg die Fotografie von ihren Anfängen her zurückgelegt hat und welche neue Bildsprachen das Medium heute findet und erfindet. Gerade die strikt formale Eingrenzung des Themas lässt einen lebhaften Dialog zwischen den Werken entstehen.