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Der Ausstellungstitel, den Johannes Esper (geb. 1971) für seine Einzelpräsentation bei Nusser &Baumgart wählt, beschreibt zum einen ein grundlegendes Moment im Herstellungsverfahren der präsentierten Arbeiten - denn die hier gezeigten Schalen basieren auf vom Künstler mit der bloßen Hand geformtem, teilweise mit dem Pinsel glasiertem und anschließend gebranntem Ton. Zum anderen verweist der Titel jedoch auch auf eine Strategie, die Espers gesamtes Schaffen kennzeichnet: Dem Künstler geht es um das Aufzeigen von Zwischenräumen, von Prozessen und Bedeutungsebenen, die in einem ‚Dazwischen‘ liegen, oft verborgen bleiben oder selten unsere Beachtung finden, weil wir sie nicht mit den Qualitätsnormen und den kategorialen Vorstellungen von Kunst assoziieren. So etwa die Schalen, die an die klischeehafte Vorstellung der kreativen Selbstverwirklichung in abendlichen Töpferkursen, oder auch simple Gebrauchs- oder Schmuckgegenstände denken lassen. Und das soll Kunst sein?

Esper rechnet nicht nur mit dieser Frage, vielmehr provoziert er sie und katapultiert den Betrachter damit in jenen Zwischenraum, von dem aus sich seine Arbeit als Kunst erschließen lässt. „Kunst ist kein auktorialer Prozess“, sagt Esper und setzt diese Überzeugung um, indem er den Zufall beziehungsweise das, was im künstlerischen Herstellungsprozess, im Moment der Präsentation, in der individuellen Wahrnehmung des Betrachters und der ‚Geschichte des Werkes‘ passiert, als wesentliches Gestaltungsmittel versteht. Dass Espers konzeptionelle Zielsetzung nicht das nach einem bestimmten Entwurf fertiggestellte Kunstwerk ist, das verdeutlichen auch die ausgestellten Pappreliefs: Ausgangsmaterial ist je ein dreidimensionaler Pappkarton, den der Künstler zu einem flachen Gebilde zerquetscht, das er häufig anschließend mit Öl oder Gouache bemalt. Dabei ist die gewonnene Form des Reliefs weder vorherseh- noch steuerbar. Zu den ganz grundsätzlichen, vom Künstler festgelegten Parametern kommt folglich der Aspekt des ‚Passierenlassens‘ als werkgenerierendes Moment hinzu – das Machen tritt in Wechselwirkung mit dem Werden. Das Werk verselbständigt sich in gewisser Weise. Dies erklärt auch Espers Interesse an der Konfrontation seiner Arbeiten mit historischen Kunstwerken, denn darin wird die Überlagerung beider Formungsprozesse, aber auch die Diskrepanz zwischen Espers prozessualem und kontextbewusstem Kunstbegriff und der Vorstellung eines vom Künstler / Schöpfer hergestellten ‚fertigen Kunstwerks‘ vergangener Epochen, besonders deutlich. Während Esper versucht, den Überformungsprozess - also das, was dem Werk geschieht - bereits in der Konzeption und Herstellung zu berücksichtigen, so hinterließen in den historischen Werken die Zeit und der Kontextransfer jene Spuren, die der Künstler nicht vorhersehen konnte, die aus heutiger Sicht jedoch nichts am Kunststatus des Werkes ändern. Auf diese grundsätzlichen, überlieferten Qualitätskriterien von Kunst rekurriert Esper etwa in seiner Referenz auf die bereits in der Steinzeit- ausgeübte Technik handgeformter Daumenschalen, die er in seinen Schalen anwendet, wodurch das Werk in den Zwischenraum von Artefakt, Töpferkurs-Relikt und Kunstwerk positioniert wird. Esper gelingt es in seinen Arbeiten, grundsätzliche Fragen an die Definitions- und Wirkungsprozesse von Kunst zu stellen. Er folgt konsequent seinem prozessualen Kunstbegriff, denn er gibt mit seinen Werken keine Antworten, sondern regt dazu an, genauer hinzusehen - und verdeutlicht dem Betrachter so seine Teilhabe am Prozess des ‚Kunstwerdens‘.

Text: Anne Vieth

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Johannes Esper
Zwischen Daumen und Zeigefinger