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Katharina Daxenbergers Arbeiten (Öl oder Acryl auf Holz oder Papier), die hier unter dem Gesamttitel „Das Spiel“ und in konzentrierter, rhythmischer Hängung auch als raumgestaltendes bzw. -veränderndes Element erscheinen, konfrontieren den Betrachter auf den ersten Blick mit einer geradezu verwirrenden Vielfalt von Bildfindungen.

Das Spektrum reicht vom komplett Abstrakten, bzw. besser: Ungegenständlichen, von reinen Studien in Farbe und Fläche, die analytisch-kühl oder spontan und intuitiv wirken können, bis zu Meditationen über einfache Formen. Und von hier aus schließlich zum Figurativen: roh ins Bild gesetzte Bäume etwa, oder florale Elemente, hinter denen die ungegenständlichen Farbfelder wieder mit Assoziationen ans Landschaftliche aufgeladen werden. Scheinbar naive, narrative Motive und Figuren, schließlich ganz Naturalistisches, als eigene Setzung oder als collagiertes Fundstück.

Die bewußte und offen zur Schau gestellte Heterogenität, und die auf den ersten Blick naive Freude an der Farbe und an der Bildfindung, all das wird in der Serie aufgefangen, bzw. gelangt dort zu einer sinnvollen und gar nicht naiven Synthese.

„Das Spiel“ ist eine Art Sprachspiel im Vokabular (bzw. den Vokabularen) der Malerei, und der zentrale Begriff zum Verständnis von Daxenbergers Arbeit ist Wittgensteins Begriff der Familienähnlichkeit - die nicht von einem einzigen gemeinsamen Merkmal ausgeht, sondern von einem zwischen verschiedenen Spielarten aufgefächerten Netz von Ähnlichkeiten, die erst in der Zusammenschau erkennbar werden.

Der Fülle und Variationsbreite von Daxenbergers Arbeiten setzt Valio Tchenkov im ansonsten leeren Galerieraum vier kleinräumige, gewissermaßen monothematische Interventionen entgegen, die eigentlich nur Spuren, Überreste einer bereits vergangenen Aktion sind. Er ließ an vier Stellen selbstgebaute Bomben bzw. Granaten detonieren, die – neben verstreuter Asche und Papierfetzen – vor allem farbige Rückstände der explodierten Reagentien an Wand bzw. Boden hinterließen.

So ergaben sich, je nach Zusammensetzung der Explosivgemische und anderer Zufälligkeiten, unterschiedlich große und geformte „Flecken“ in wechselnder Farbigkeit - die dabei auf äußerst frappierende Weise wie beabsichtigte, planvolle und durchkomponierte malerische Bildfindungen wirken, dynamisch und konzentriert, in changierenden Schwarz-, Rot-, Blau- und Silbertönen, wie mit Pastellkreiden gemalt.

Die dazu am Boden mit Permanentmarker hinterlassenen, tendenziell kryptischen Kommentare lassen die Spuren zudem auch zu unwiderstehlichen Anknüpfungspunkten für Geschichten bzw. Spekulationen seitens der Betrachter werden.

Ein Spiel spielt so auch Tchenkov: nicht nur mit der Phantasie der Betrachter, sondern vor allem mit der Frage, wo die Kunst anfängt und wo sie aufhört und wann und warum ein Bild ein Bild ist.

Nicht nur formal ergänzen sich Daxenbergers und Tchenkovs Ausstellungsbeiträge erstaunlich zielsicher, sie scheinen auch beide, wenngleich quasi antithetisch, um Fragen von Autorschaft und Stil zu kreisen. Daxenbergers Serie fällt so vielfältig und unterschiedlich aus, dass man zunächst jene Gleichförmigkeit und Ähnlichkeit vermissen könnte, die volkstümlich als Stil bezeichnet und unauflöslich mit dem Subjekt verknüpft gedacht wird. Tchenkovs Wandmalereien hingegen sind zwar recht offensichtlich aus einem Guß und anscheinend eindeutige Variationen eines bestimmten Stilwollens – aber verdanken sich eben genau nicht einer einheitlichen und subjektiven Écriture, sondern dem Zufall und den Gesetzen von Chemie und Physik.

Peter T. Lenhart, 2006