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DAS "ARCHITEKTURWUNDER" VORARLBERG Vom Gerücht zum Mythos: So könnte man die letzten Dekaden der Vorarlberger Architektur bezeichnen. Was einst als widerständige Haltung einiger Unangepasster begann, wurde später zur auch politisch-kulturellen Identität eines ganzes Landes erklärt, und ist zum Mekka von Architekturtouristen und all jenen geworden, die das Rätsel entschlüsseln wollen, wie und warum eine einzelne Region im Herzen Europas den Begriff "Baukultur" neu definierte und für unsere heutige Zeit fruchtbar machte. Das westlichste Bundesland Österreichs gilt heute als ein regionales, von der internationalen Fachwelt geradezu umjubeltes Zentrum der zeitgenössischen Architektur in Europa. Die Herausforderungen gleichen denen in den Nachbarländern (Zersiedelung der Landschaft, Umbrüche in Wirtschaft und Gesellschaft, zunehmende Desintegration sozialer und kultureller Strukturen), dennoch ist es in Vorarlberg in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, die Architekturpolitik nicht durch kurzfristige Interessen der Ökonomie zu entmündigen und entwerten.

Gründe für das architektonische "Musterland" Vorarlberg gibt es bekanntermaßen viele: angefangen mit der engagierten Architektenschaft, der großen Bedeutung des Handwerkes, welches ein wichtiger Partner war und ist, der impulsgebenden Kraft der Gestaltungsbeiräte, vom lebendigen Wettbewerbswesen seit den späten 80ern und einem wachsenden Bewusstsein der "öffentlichen Hand", von interessierten und mutigen BauherrInnen bis über die erfolgreiche Vertrauensbildung zwischen den Akteuren auch über die Medien. Die Bewegung war eine Entwicklung "von unten", wie Kapfinger und Achleitner konstatieren. Als Folge davon bestimmt heute das Leitbild einer nachhaltigen, technologisch, ökologisch und gestalterisch innovativen Architektur zwischen Bodensee und Arlberg die bauliche Praxis.

DIE AUSSTELLUNG "Konstruktive Provokation" macht die Dichte an architektonisch hochwertigen Bauten im "Ländle" seit den 60er Jahren im Rahmen der Ausstellung nachvollziehbar. Statt Arbeiten einzelner Architekten hervorzuheben, zeigt die Ausstellung die Topografie der Gesellschaft mit dem Netzwerk an Akteuren und Ereignissen.

Die Ausstellung besteht aus einer Serie thematischer Einstiegsportale. Verschiedene Leseebenen erlauben es dem Besucher, von einer allgemeinen Erfassung des Themas zum aufmerksamen Studium überzugehen. Die erste Leseebene bilden großformatige Fotografien von Ignacio Martínez auf den Fronten der Kuben; kurze Texte ergänzen und erläutern die spezifische Thematik. Eine zweite Ebene bilden ausziehbare Schau-Laden und Wandelemente, die weitere Details und Architekturen zur jeweiligen Thematik zeigen.

13 THEMENPORTALE erzählen von der breitenwirksamen und innovativen Vorarlberger Baukultur, vom Miteinander der verschiedenen Personengruppen, Institutionen und Interessensvertreter: Die Radikalität der Grundsteine beschreibt die in den 60er Jahren entstandenen Pionierprojekte.

Die einfache, konstruktive Modernität schuf mit ihrer Intelligenz der Kargheit Räume der funktionellen und geistigen Fülle. Gegen 1980 folgte eine Generation von Architekten, deren Zielvorstellungen in der Sozialentwicklung lag. Unter dem Motto Gemeinsam Planen – Gemeinsam Bauen verdeutlicht sich dieser sehr wirtschaftliche Ansatz einer ökologisch funktionalen Baukultur, gekennzeichnet durch einen hohen Anteil an kostensparendem Selbstbau und Selbstverwaltung. Nach dem Schulbauboom der 50er Jahre begann Ende der 80er-Jahre eine nächste Welle von Neu- und Erweiterungsplanungen in Kindergärten und Schulen – die in der Ausstellung thematisch als Spielorte, Lernräume zusammengefasst sind. Das Bild der Erlebniswelt Natur und der historischen Orte ist ein Grundkapital des Tourismus. Fern von scheinheiliger Heimattümelei zeigen Beispiele vom Bregenzerwald und Arlberg ein neues Naturbewusstsein und Alternativen zum stereotypen Massentourismus. Für die Modernität der Ökologie schufen die Initiativen der Baukünstler die Vorbilder. Ab 1990 machte das Energieinstitut Vorarlberg das umweltschonende Bauen zur landespolitischen Chefsache. Mit Kultur der Kooperation werden Beispiele der Umnutzung von aufgelassenen Industriearealen in ländlich geprägten Strukturen und innerstädtischen Bereichen gezeigt. Das Thema Neues Handwerk, Neue Industrie trägt der Entwicklung Rechnung, dass zahlreiche holzverarbeitende Betriebe zuletzt neue, architektonisch hochwertige Produktionsstätten realisierten. Lustenaus Millenniumspark ist ein Beispiel für die Textur der Peripherie: Ein Hightech-Campus, der sich fast wie ein 1:1 Architektur-Expo-Gelände am Ortsrand präsentiert. Von entscheidender Bedeutung für die Qualität des Lebensraumes ist die ab Ende der 80er erfolgreich ausgeführte Implementierung eines ausgeklügelten öffentlichen Verkehrsnetzes. Revitalisierung der Ressourcen trägt dazu bei, traditionelles handwerkliches Können mit neuen Technologien zu ergänzen und weiterzubilden.

Mit dem Thema primäre Urbanität ist zusammengefasst, was durch funktionelle und bauliche Akzentuierung zur Stärkung von Siedlungskernen zu einem landesweiten Trend wurde. Am Bregenzer Pfänderhang sind seit den frühern 90er Jahren die neuen Symbole einer Baukultur als Bürgerstolz zu finden. Inmitten von noch intakten Bauernhöfen entsteht eine Perlenkette von Traumhäusern mit Seeblick.

Seit Juni 2003 wandert die Ausstellung sehr erfolgreich durch Frankreich, ab dem 30. Juni wird die vielversprechende Schau einem Wiener Publikum Einblick in das "Architekturwunder" Vorarlberg ermöglichen. Eine Ausstellung des Vorarlberger Architekturinstitutes (vai) in Kooperation mit La Cité de l’architecture et du patrimoine – Département IFA (Institut français d’architecture).

Als Ergänzung wird im Architekturzentrum Wien die Präsentation RESIDENCES gezeigt: 40 Einfamilienhäuser von an der Ausstellung 'austria west' beteiligten Architekten wurden ausgewählt und in kleinen Holzmodellen aus Weißtannenholz im Maßstab 1:333 nachgebaut. Postkarten zum Mitnehmen informieren über die jeweiligen Projekte. RESIDENCES legt den Fokus auf das «Bauen im kleinen Maßstab», auf die individualisierteste Bauaufgabe, das Einfamilienhaus, mit der gerade auch die Vorarlberger Bauschule eine breite Akzeptanz und wesentliche Entfaltungsmöglichkeiten finden konnte.

Pressetext

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Konstruktive Provokation - Neues Bauen in Vorarlberg
Eine Ausstellung des Vorarlberger Architekturinstitutes (vai) in Kooperation mit La Cite de ol’architecture et du patrimoine - Departement IFA (Institut francais d’architecture)