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Seit Beginn seiner fotografischen Arbeit beschäftigt sich Remigijus Treigys (*1961 in Litauen) mit Stadt- und Kulturlandschaften. Da er keine Menschen und Lebewesen fotografiert, ließe sich sogar sagen, Treigys ist auf Architektur spezialisiert. So fiel die Wahl auf ihn, als in Litauen ein dreiwöchiges Arbeitsstipendium der Robert-Bosch-Stiftung für einen Aufenthalt in Berlin vergeben wurde. Für Treigys sprach auch seine unkonventionelle Herangehensweise, die neugierig auf seine Sicht einer Stadt macht. Im gewissen Sinne verhält er sich "fotografieunspezifisch": er sucht lange nach Motiven und macht sehr wenige Aufnahmen. In Berlin, wo er drei Wochen lebte, sind einundzwanzig Fotografien entstanden. Sie werden jetzt ausgestellt.

Treigys bevorzugt verpackte, verdeckte, verschleierte, sich aus der Dunkelheit herausschälende Objekte. Die Berliner Serie zeichnet sich durch eine starke Fragmentierung aus, die die Architektur noch mehr verfremdet und die auch Darstellungen bekannter Bauten in Fangfragen für eine bauhistorische Prüfung verwandelt. Was ist das, was wir da sehen? Dieses Ratespiel kulminiert in den Darstellungen der Sanierungsarbeiten des Berliner Wahrzeichens und seiner touristischen Attraktion - des Brandenburger Tores. Mit dem eigenen Abbild auf einer Fotoplane verkleidet, wird das Bauwerk bereits in natura zu einer Fotografie, die der Künstler noch einmal abfotografiert. Eine Fotografie ist eine Fotografie von einer Fotografie - könnte man hier Gertrude Stein paraphrasieren.

Andrey Chezhin(*1960 in Rußland) gehört zu den experimentierfreudigsten unter den Fotokünstlern seines Landes. Er verarbeitet große Mengen an Rohmaterial: er reist und fotografiert viel, sammelt alte Fotos und Fotofilme. Chezhin sucht nicht lange nach Motiven und begnügt sich oft mit touristischen Orten, denn sein Interesse richtet sich weniger auf die Objekte selbst als vielmehr auf die Ergebnisse der Fotoexperimente. In Berlin, wo er sich einige Tage auf der Durchreise aufhielt, besichtigte er Potsdamer- und Alexanderplatz, Reichstag, Check Point Charlie und Gedächtniskirche und hat dort Dutzende von Filmen abfotografiert. Dabei hat er die Arbeit an zwei Werkgruppen fortgesetzt. Es sind Mehrfachüberblendungen und Bilder, die durch die Drehung der Kamera beim Fotografieren entstehen. Beide haben die Stadt zum Thema. Die Überblendungen beziehen sich stärker auf ältere Stadtstrukturen und Naturelemente. Surreal von der Stilistik her, wirken sie wie Nachtträume oder Erinnerungen. Diese Sicht auf Kulturlandschaften ist durch die Heimatstadt Chezhin`s, St. Petersburg, geprägt. Die Bildsprache der zweiten Werkgruppe ist konstruktiv. Durch Wiederholungen und Brechungen von Elementen moderner Architektur wirken die Fotos wie Science-Fiction-Entwürfe. Eine solche Stilistik hat Chezhin bisher vorrangig für die Aufnahmen in den USA angewendet. In Berlin ist es - es liegt nahe - der Potsdamer Platz.

Trotz unterschiedlicher Arbeitsweise und der Sicht auf die abzubildende Welt ist die Auffassung von der Fotokunst bei beiden Fotografen eng verwandt. Es geht um analoge Fotografie, für die eine eigenhändige Anfertigung der Abzüge wegen der Möglichkeit, diese mechanisch und chemisch zu beeinflussen, unerläßlich ist. So weisen diese Fotografien mehr oder weniger Unikatcharakter auf und sind schwer reproduzierbar.

Zur Berliner Fotoserie Treigysliegt ein aktueller Katalog vor. Zu früheren Arbeiten Chezhins ist noch eine 1998 erschienene Übersichtspublikation vorhanden.

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