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Ruhrtriennale 2023 Festival der Künste

10.08.2023 - 23.09.2023

Die Ruhrtriennale – das Festival der Künste – findet 2023 vom 10. August bis 23. September statt. Unter der Leitung der Intendantin und Regisseurin Barbara Frey werden Hallen, Kokereien, Maschinenhäuser und Halden des Bergbaus und der Stahlindustrie zu unverwechselbaren Protagonistinnen für das Festival. Das Programm verortet sich an den Schnittstellen von Musiktheater, Schauspiel, Tanz, Performance, Konzert und Bildender Kunst.

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PROGRAMM
(Auswahl)

Jahrhunderthalle Bochum

Musiktheater
Aus einem Totenhaus
Leoš Janáček, Dmitri Tcherniakov, Dennis Russell Davies, Bochumer Symphoniker, Chor der Janáček-Oper des Nationaltheaters Brno

In den gewaltigen Dimensionen der Jahrhunderthalle Bochum löst Starregisseur und Bühnenbildner Dmitri Tcherniakov in einer riesigen begehbaren Bühneninstallation die schützende Wand zwischen Künstler:innen und Publikum auf.

OPER IN DREI AKTEN
Libretto vom Komponisten Leoš Janáček nach Fjodor Michailowitsch Dostojewskis Aufzeichnungen aus einem Totenhaus
Im sibirischen Gefangenenlager gibt es keine Helden. Ob arm oder reich, gebildet oder ungebildet, adelig oder nicht – hier sind alle gleich und im Grauen ohne Ende vereint. Fjodor Dostojewski hat es erlebt und in seinen Aufzeichnungen aus einem Totenhaus minutiös beschrieben. Sie dienten Leoš Janáček als Vorlage zu seiner letzten Oper, die unter dem Motto »In jedem Geschöpf ein Funke Gottes« an unser Mitgefühl appelliert. Janáček, der seine Musik der individuellen Sprache der Menschen abhorchte, gibt jedem Insassen seine eigene Stimme, um sie in der vielstimmigen Anonymität und Gleichgültigkeit untergehen zu lassen. Rohe Klänge und beharrliche Rhythmen machen die Härte der Lagerrealität geradezu körperlich spürbar. In den gewaltigen Dimensionen der Jahrhunderthalle setzt Starregisseur und Bühnenbildner Dmitri Tcherniakov diese Idee fort: In einer riesigen begehbaren Bühneninstallation löst er die schützende Trennung zwischen Künstler:innen und Publikum auf. Wir bewohnen eine erbarmungslose Gefängniswelt, sind unentrinnbar mitverhaftet mit all den »Schicksalslosen«, die hier eine Existenz als lebendige Tote fristen. Mit ihnen bewegen wir uns durch einen von würdelosen Raufereien und Saufereien gezeichneten Alltag. Uns, seinen Mitgefangenen, schildert Luka aus nächster Nähe, wie er aus Rache für dessen Willkür den Major erstach. Uns erzählt Skuratov, wie er den reicheren Rivalen um die geliebte Luisa erschoss. Šiškov erzählt uns, wie er aus Eifersucht seiner unschuldigen Braut Akulina die Kehle durchschnitt. Interessiert uns ihr Leid, ihre Wut, ihre Reue? Oder kehren wir uns ab, suchen Distanz zu diesen glücklosen Gescheiterten, beobachten sie aus der Ferne? Wir sind unter ihnen nachts, wenn sie weinen, sind mit ihnen im Lazarett, wenn sie im Fieber sprechen, wenn sie sterben. Wir schauen uns sogar ihre frivolen Theateraufführungen an, um den zermürbenden Lagertrott zu unterbrechen. Fühlen wir mit ihnen?
Eine Produktion der Ruhrtriennale.
© Mit freundlicher Genehmigung von Universal Edition AG Wien

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Kraftzentrale , Landschaftspark Duisburg-Nord

Schauspiel
Ein Sommernachtstraum
William Shakespeare, Barbara Frey, Martin Zehetgruber, Burgtheater Wien

Als »das Stück der Stunde« bezeichnet Barbara Frey, die inszenierende Intendantin der Ruhrtriennale, Shakespeares geniales und abgründiges Meisterwerk Der Sommernachtstraum, das seit mehr als 400 Jahren das Publikum verzaubert und verwirrt. Bei diesem dichterischen Naturereignis versagen alle Gattungsbegriffe. Der Text wechselt seine Gestalt, mäandert durch die verschiedenen Genres von höfischem Spiel zum derben Schwank, vom Traumspiel zum philosophischen Exkurs, von Komödie zu Tragödie. Nichts in diesem Text behält seine anfängliche Gestalt. Das ist zutiefst beunruhigend. Wir werden konfrontiert mit der Zumutung der Unberechenbarkeit. Wir wohnen dem Kontrollverlust der Figuren bei, erleben ihn selbst, erkennen die Brutalität der unverlässlichen Gefühle, sehen, wie Liebe sich entfärbt und zur Verachtung wird und wie umgekehrt Ignoranz abgelöst wird durch plötzlich aufflammende Leidenschaft. Wir verirren uns mit den einander Jagenden im nächtlichen Wald, der unser Sehvermögen einschränkt und die klaren Konturen verschwimmen lässt: die klare Trennbarkeit von Wahn und Realität. Wir werden vor die Frage gestellt, ob der Wach- oder der Traumzustand wirkmächtiger ist, ja, wie diese beiden Zustände überhaupt zu unterscheiden sind und wer uns warum und zu welchem Zwecke die Träume eingibt, denen wir nachstreben oder die uns heimsuchen. Hat der Mensch, haben wir einen eigenen Willen oder werden wir gesteuert – durch was und durch wen? Barbara Frey wird gemeinsam mit dem Ensemble des Burgtheater Wien das famose spielerische Potential dieses Stückes ausschöpfen und sich mit ihm fragen, ob die entfernte Vergangenheit uns nicht Wesentliches über unsere krisengeschüttelte Gegenwart mitzuteilen hat – ist die Renaissance doch nicht nur die Wiege unseres Selbstverständnisses, sondern auch der Ursprung des Paradoxons, in und mit dem wir seither leben.
Eine Koproduktion von Burgtheater Wien und der Ruhrtriennale.

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Kulturkirche Liebfrauen Duisburg

My Body Is Not An Island
Eva Kot'átková

Urbane Künste Ruhr lädt die tschechische Künstlerin Eva Kotátková nach Stationen in Bordeaux und Prag ein, eine ortsspezifische Version von »My Body Is Not An Island« für die Liebfrauenkirche Duisburg zu entwickeln.

Ein dekonstruierter, gigantischer Körper – teils Tier, teils Mensch – aus einem Metallgerüst geschweißt, überdimensionale Kleidungsstücke, bunte Kostüme, Transportkisten und Materialcollagen entfalten sich in der weitläufigen Installation My Body Is Not An Island der tschechischen Künstlerin und Filmemacherin Eva Koťátková (*1982 in Prag) zu einer immersiven Landschaft. Fiktive und reale Geschichten, die von physischer oder psychischer Unterdrückung erzählen, sind der Arbeit eingeschrieben. Die Erzählungen aus menschlicher, tierischer und pflanzlicher Perspektive werden wöchentlich von Performer:innen innerhalb der Kulturkirche Liebfrauen und im umliegenden Duisburger Stadtraum aktiviert und können vom Publikum durch eigene Erfahrungen ergänzt werden. Ausgehend von ihrem Interesse an gesellschaftlichen Strukturen – wie Familie, Schule oder Arbeit – geht Eva Koťátková in ihrer Arbeit der Frage nach, wie Normierungsprozesse unser Alltagsleben prägen und Formen von übertriebener (Selbst-)Kontrolle, Gewalt und Angst hervorrufen können. Beeinflusst von surrealistischer Poesie und theatralen Szenografien entwirft die Künstlerin einen inklusiven Ort, an dem wir uns unseren Träumen, unserem Unbewussten zuwenden dürfen. My Body Is Not An Island ist eine Einladung an Kinder, Jugendliche und Erwachsene, sich in andere hineinzufühlen und Emotionalität als Zugang zur Welt zu erlernen: »Bring your emotions and your jackets too«, ruft die Künstlerin auf.
Urbane Künste Ruhr zeigt zu jeder Ruhrtriennale einen eigenen künstlerischen Beitrag. Im Anschluss an das Ruhr Ding: Schlaf, das sich als städteübergreifendes Ausstellungsprojekt im Frühsommer dieses Jahres unserem Verhältnis zu Körper und Zeit im postindustriellen Kontext widmete, wurde Eva Koťátková eingeladen, nach Stationen in Bordeaux und Prag eine ortsspezifische Version von My Body Is Not An Island für die Kulturkirche Liebfrauen in Duisburg zu entwickeln.
Eine Produktion von Urbane Künste Ruhr für die Ruhrtriennale