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In ihrer aktuellen Ausstellung zeigt Shirin Damerji Arbeiten, die aus einem Treffen der Künstlerin mit jungen Irakerinnen während ihres Urlaubs 2005 in Jordanien hervorgingen. „Girls from Ghazalija“ ist eine Geschichte, die aus dem Zusammenspiel zwischen der Welt des Offensichtlichen auf der einen und der Welt des Verborgenen auf der anderen Seite entstand.

Anfangs sieht man den Protagonistinnen beim allabendlichen Zurechtmachen zu. Sie kleiden sich an, schminken und frisieren sich. Eine scheinbar gewöhnliche Situation, wie sie sich in gleicherWeise an vielen Orten auf der Welt abspielt. Die dabei entstandenen Fotos durften jedoch auf Geheißder Frauen nicht öffentlich gezeigt werden: ein Bilderverbot, aus dem die Künstlerin schöpfte, wodurch das erste Kapitel der Ausstellung entstand.

Damerji übersetzt die Fotovorlagen in großformatige Graphitzeichnungen. Diese „zeichnerische Strukturen“ (Damerji) formen eine neue Einheit, die autonom ist und zugleich auf ihre fotografischen Wurzeln verweist. Die Werke entstanden aus den Fotos, ohne diese zu kopieren, aber auch ohne die fotografische Herkunft zu verstecken, der Entstehungsprozess kommt eher einer Genesis als einer bloßen Replikation gleich. Bedingt durch die Übertragung in ein anderes Medium ist eine Transformation zu erkennen - die fotografische Schnappschuss-Realität verschwimmt in Unschärfe und damit verschwindet auch der Anspruch aufunmittelbare wirklichkeitsgetreue Wiedergabe, den die maschinell abgelichteten Ursprungsbilder unweigerlich mit sich brächten. Eine Umwandlung, die das Bildmotiv ins Abstrakte führt. Gesten und Blicke, die aus der universellen Ausgangssituation heraus entstehen und auf dem Foto locker und gelassen wirken, verschieben sich und erstarren in der Zeichnung, schwenken um und werden ernst.

Das zweite Ausstellungskapitel bildet ein Video, das die jungen Frauen später am Abend beim Flanieren auf der Promenade zeigt. Hier wird ein gewisser dokumentarischer Ansatz deutlich, der dem Thema und dem Aufbau der Ausstellung zugrunde liegt. Die Mädchen aus Ghazalija, einem gutbürgerlichen Bagdader Stadtviertel, das zum Schauplatz des Irakkriegs wurde, machen Urlaub, nehmen eine Auszeit vom Alltag. Doch unter der Oberfläche unbeschwerter Lässigkeit ist die Allgegenwart des Krieges deutlich spürbar. Die Unsicherheit, die Angst und die Gefahr sind stets präsent in Gedanken und Gesprächen.

Die einzelnen Ausstellungsabschnitte sind durch die chronologische Linearität der Erzählung verbunden und stehen aufgrund ihrer formalen Unterschiede gleichzeitig in einer kontroversen Relation zueinander. Dieser Kontrast hebt das Spannungsfeld hervor, in dem sich die Arbeiten bewegen. Somit setzen Damerjis Werke an dem Konfliktpunkt zwischen dem alltäglichen Ereignis und seiner tieferen emotionalen Bedeutung an, also dort, wo die verschiedenen Wirklichkeitsebenen aufeinander prallen.

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Shirin Damerji
Girls from Ghazalija