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Die Deutsche Börse präsentiert vom 24. April bis 4. Juni 2010 die Künstler des von C/O Berlin ausgeschriebenen Nachwuchsprogramms „Talents“ aus dem Jahr 2009.

Seit 2006 fördert C/O Berlin die Arbeiten angehender Fotografen sowie die Texte künftiger Kunstkritiker, die sich an der Schwelle zwischen Ausbildung und Beruf befinden. In der Ausstellungsreihe „Talents“ wird die Nachwuchsförderung von Fotografie und Kunstkritik in einem Programm zusammengeführt: Die Arbeiten der einzelnen Fotokünstler erscheinen jeweils in einem Katalog, in dem ihre Bilder mit den Texten der jungen Kritiker in einen Dialog treten. Die Arbeiten der Talents-Künstler wurden nach ihrer Ausstellung bei C/O Berlin in verschiedenen Niederlassungen des Goethe Instituts weltweit präsentiert. Im Anschluss daran ist die Ausstellung nun wieder in der Neuen Börse zu sehen.

Die Talents-Künstler aus 2009 sind: Christoph Engel (1975), Anne Lass (1978), Oskar Schmidt (1977) und Ofer Wolberger (1976). Anne-Lass_278x180.jpg

Anne Lass, Ohne Titel, Las Vegas, 2004

Die Orte in den Bilder von Anne Lass scheinen bekannt, die Menschen vertraut, die Situationen alltäglich. Normalität ist abgebildet; so normal, dass sie beunruhigt. Wo und wann sind die Fotografien entstanden? Wer sind die abgebildeten Menschen? Auf welche Weise sind die Bilder inhaltlich verbunden? Mit der Suche nach erklärenden Details lassen sich in den Fotografien von Anne Lass allerdings weder Bedeutung oder Identität noch Relation oder Geschichte präzisieren oder dechiffrieren. Stattdessen werden beim Betrachter die Bilder seines eigenen visuellen Gedächtnisses geweckt: Es findet eine Überlagerung und Verschmelzung der Fotografien mit der eigenen Realität, Vorstellung und eigenen Erlebnissen statt. Christoph Engel _216x180.jpg

Christoph Engel, Ohne Titel (Flughafen 080906), 2008

Christoph Engel betrachtet in seinen Arbeiten die Welt und ihre Oberflächenstruktur aus einer nicht alltäglichen Perspektive. Dicht bebaute Siedlungen erscheinen als ornamentales Liniengeflecht, die flachen Dächer unzähliger Treibhäuser bilden ein dichtes Mosaik und Golfplätze in der Wüste erinnern an ausgebreitete Handflächen. Der 'göttliche Blick' von oben ermöglicht die Abstraktion in Flächen und Linien und schafft einen ambivalenten Überblick von formaler Klarheit und trügerischer Schönheit. Denn die Motive visualisieren die gravierenden Eingriffe des Menschen in die Natur und die radikale Umwandlung ganzer Landstriche bis hin zur ökologischen Katastrophe. Die fotografische Serie von Christoph Engel entlarvt nicht nur die freie Landschaft als Konstruktion und Naturdesign, die Bilder selbst sind konstruiert, mit frei zugänglichem Material von Google Earth. Mit dieser Methode hinterfragt Engel auf grundlegende Weise seine Position als Fotograf und Urheber. Ofer Wolberger_229x180.jpg

Ofer Wolberger, Saint-Michel-en-Grèves, France, a. d. S. Life with Maggie, 2007- 2009

Live with Maggie heißt die Serie Ofer Wolbergers, die einem farbenfrohen Fototagebuch der jungen Maggie gleicht - Sie posiert in üblicher Touristenmanier bei Sonnenuntergängen am Wasser, in lieblichen Landschaften und vor moderner Architektur. Das einzig Irritierende an ihren gewöhnlichen Reisebildern ist Maggie selbst, denn ihre wahre Identität versteckt sie stets hinter einer Maske. Zudem korrespondiert ihre Kleidung oft auf subtile Art mit ihrer Umgebung, greift deren Beschaffenheit und Farbigkeit auf. Maggie ist ein fiktiver Charakter Wolbergers, der mit seinen inszenierten Bildern der Frage nach Identität nachgeht. Die Maske funktioniert als dominierende Konstante auf den einzelnen Fotografien; der Wechsel der Kleidung zeugt gleichzeitig von einem fließenden Verhältnis vom Individuum und seiner Umgebung. Spürbar wird in diesen Bildern, wie stark einerseits das Bedürfnis des Menschen nach fester Verortung seiner Identität ist, und wie schwer andererseits die Frage, wo man hingehört, zu beantworten ist. Oskar_Schmidt_228x180.jpg

Oskar Schmidt, Mädchen mit Buch, 2005

Die Fotografien von Oskar Schmidt sind Porträts und Interieurs zugleich. Zwar erscheinen die Personen und Räume bekannt und vertraut, dennoch bleiben sie rätselhaft und unzugänglich. Denn nicht die individuellen Merkmale dieser Orte und Figuren stehen im Fokus der Bilder, sondern viel allgemeiner ihre Formen und Haltungen. Die porträtierten Frauen und Mädchen sind Wiedergängerinnen – ein aus der Malerei entlehntes Personal, das in der Fotografie neu belebt wird. Oskar Schmidt verfolgt in seinen fotografischen Tafelbildern, die mit einer analogen Großformatkamera entstehen, ein malerisches Prinzip und entfaltet hierbei ein raffiniertes Netz von Anspielungen aus der Kunstgeschichte. Schmidt bestellt seine Modelle zu immer neuen Sitzungen in sein Atelier, um einen bestimmten Ausdruck perfektionieren zu können. Doch gerade diese intensive Suche nach dem perfekten Ausdruck macht zugleich die Grenzen des Fotografischen sichtbar, denn eine direkte Re-Inszenierung von Gemälden in der Fotografie ist unmöglich.

Die Ausstellungen und die sie begleitenden Kataloge bieten den jungen Talenten ein öffentliches Forum und laden das Publikum zur Diskussion der Arbeiten ein. Dieses Konzept macht die „Talents“ in Europa einzigartig.

Als Gründungspartner begleitet die Gruppe Deutsche Börse das Nachwuchsprogramm seit Beginn. Sie ist auch in der Jury vertreten, welche die Auswahl aus den Bewerbungen trifft. Seit 2007 wird der internationale Fotowettbewerb öffentlich ausgeschrieben. Rund 400 Bewerbungen junger Fotografinnen und Fotografen gingen für das Programm in 2009 ein. Vier von ihnen erhalten die Gelegenheit, ihre Werke zu einem übergeordneten Thema auszustellen – 2009 ist dieses „Conditio Humana“. Umfangreiche Arbeitsserien reflektieren den Lebensraum des Menschen und befragen seine psychologische und soziale Identität.

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Talents 2009
Christoph Engel, Anne Lass, Oskar Schmidt, Ofer Wolberger