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Tschumi Alumni. How art works? How culture works? Tymek Borowski, Maruša Sagadin
05.05.2018 — 21.06.2018
Pressegespräch 04.05.2018 11:00
Eröffnung 04.05.2018 18:30

Wir leben in unübersichtlichen und durchaus komplexen Zeiten. In einem für beide Länder so wichtigen gemeinsamen Europa verbinden Polen und Österreich ein reiches kulturelles Leben, das sich aus einem spezifischen und teils ähnlichen historischen Bewusstsein und einem darauf aufbauenden traditionsorientierten Weltbild speist. Wie funktionieren darin Kunst und Kultur? Was soll Zeitgeist sein? Wie bringen sich die davon angesprochenen Personen ein, von welchen Personen und Subjekten sprechen wir? Und schließlich: Wie kann ein Kunst- und Kulturinstitut diese Werte und Ansprüche im Sinne eines produktiven Austauschs und guter Nachbarschaft vermitteln? Darauf geben die Künstler_innen Tymek Borowski und Maruša Sagadin einige pointierte Antworten.

Die Ausstellung Tschumi Alumni. How art works? How culture works? widmet sich der Frage nach der Verbindung und dem produktiven Austausch von Kunst und Kultur und möglichen Optionen ihrer Wirkung auf Individuum und Gesellschaft. Die Künstler_innen Tymek Borowski (1984 Warschau, lebt in Warschau) und Maruša Sagadin (1978 Ljubljana, lebt in Wien) reflektieren und hinterfragen in ihren Arbeiten auf kritische Weise Prozesse, die mit Informations- und Datenaustausch sowie tradierten kulturellen Verhältnissen zu tun haben. Während Borowskis künstlerische Wurzeln in der Malerei liegen, widmet er sich in seinen jüngeren Arbeiten zunehmend digitalen Formaten wie Video und Animation. Sagadin, die vorwiegend skulptural arbeitet, bezieht sich in ihren Arbeiten auf die Architektur und hinterfragt ihre Funktion und Rolle in der gegenwärtigen Gesellschaft.

Die Arbeiten von Tymek Borowski sind eine Art praktische Anleitung, die erklären, wie Kultur und Kunst zu „gebrauchen“ sind, wie man sie besser verstehen kann – mit einem pragmatischen Ziel, um „besser“ zu leben. Die in den Videos How Art Works? oder How Culture Works? verwendeten einfachen Metaphern haben die Aufgabe den Mechanismus der Phänomene Kunst und Kultur zu definieren und aufzuzeigen. Die hier gezeigten Arbeiten, deren Entstehen eine solide Recherche vorausging, kreisen um Themen, die den Autor besonders beschäftigen, wie der Sinn des Produzierens und des Einbeziehens von Gegenwartskunst in den Kontext anderer Aktivitäten. Die aus den Arbeiten resultierenden Schlussfolgerungen sind aber universeller. Die Ästhetik dieser Arbeiten und die radikale Methode die beschriebenen Ereignisse zu vereinfachen sind Spiegelbild des uns umgebenden Trends alle Tätigkeiten und Prozesse zu rationalisieren, zu „professionalisieren“ und optimieren. Borowski geht fließend von humorvollem Optimismus zu vernichtender Selbstironie über, wie in der gleichnamigen mehrteiligen malerischen Arbeit How Art Works?, indem er seine eigene Strategie, den Eindruck zu erwecken ein guter Künstler zu sein, bloß stellt.

In seinen jüngsten Werken widmet sich Borowski, der ursprünglich aus der Malerei kommt, der Frage, wie digitale Informationen und Daten auch „analog“ visuell abbildbar sind. In den in der Ausstellung zu sehenden Portrait-Malereien ist diese Tendenz bereits erkennbar. So zeichnet der Künstler nicht ein genaues Abbild seiner oftmals auf bekannten Persönlichkeiten basierenden Modelle, sondern verfremdet diese stark – was bleibt ist eine abstrakte Idee dessen, was Personen und Subjekte auszeichnet und wie sie sich in Gesellschaft zeigen (lassen).

Maruša Sagadin zeigt eine Serie von Objekten namens Tschumi Alumni, die auf architektonischen Formen basieren – etwa Fensteröffnungen, die aussehen, als seien sie von Fäusten in die Wand geschlagen, in diesem Kontext aber als Beine von Skulpturen fungieren. Über sie sind fast identische rechteckige Formen gespannt. Die Grenze zwischen der Basis (Bein), die ein eigenes Objekt darstellt, und der Skulptur in Lebensgröße – ähnlich Bein zu Körper, Individuum zu Gesellschaft oder Architektur zu Stadt – ist verschwommen und unklar. Die geometrisch geformten Oberflächen sind glänzend poliert und sehen fast aus wie freihängende Bilder. Ihre Farbpalette erinnert an die Washington Color School, Österreichisches LilienPorzellan, „politische“ Farben und Popkultur. Die Auswahl an einfachen Materialien wie Beton, Polystyrol und Sperrholz, wie man sie im Baumarkt findet, bekunden das Interesse der Künstlerin für alles, was täuschend und seltsam erscheint. In ihren Arbeiten bezieht sich Sagadin auch auf traditionelle architektonische Formen, wie die dorische Säule oder die Karyatiden, und übersetzt diese in einen postmodernen feministischen Kontext.

Die Künstlerin arrangiert die Skulpturen, die zugleich auch Figuren sind, in Kombination mit den Säulen in der Ausstellungshalle. Es scheint beinahe so, als würde die Objektgruppe – als eine Art Konterpart – mit den anderen Skulpturen und der spezifischen Raumarchitektur in Dialog treten. Die Skulpturen stellen scheinbar eine Gruppe von Menschen dar und stehen als Metapher für eine Person oder marginalisierte Gruppe, die in das soziale Skelett einer Stadt und ihrer Infrastruktur verpflanzt ist. Einer Stadt, in der das Hauptaugenmerk auf Vergnügen, Konsum, Arbeit und Körperkult gelegt wird.

Im Außenbereich des Künstlerhauses und damit im öffentlichen Raum des Grazer Stadtparks hat Sagadin eine überdimensionale Bank und als solche benutzbare Skulptur gestellt. Auf der Oberseite der in bunten Farben lackierten Skulptur DORIS sind Props wie Lippenstift oder Plateauschuhe angebracht, zwischen die sich Passant_innen zum Ausrasten vom geschäftigen Alltag setzen können, um sich in Ruhe umzusehen und vielleicht sogar miteinander zu unterhalten.

Tymek Borowski studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Warschau und arbeitet als Maler, Filmautor und Infografiker. Er war Mitbegründer mehrerer Kunstkollektive und Galerien sowie des Onlineprojekts Billy Gallery und des Czosnek Studios für experimentelles Design. Er wurde mit dem VIEWS Deutsche Bank Foundation Audience Award (2013) und dem Polityka Pass Award (2016) ausgezeichnet.

Maruša Sagadin schloss Architektur an der TU Graz ab bevor sie auf die Akademie der Bildenden Künste wechselte und Bildhauerei studierte. Neben einigen Auszeichnungen absolvierte sie 2016 eine einjährige ISCP-Residenz in New York, außerdem wurde ihr 2009/2010 ein MAK Schindler House-Forschungsstipendium in Los Angeles gewährt.

Tschumi Alumni. How art works? How culture works? wurde bereits im Österreichischen Kulturforum Warschau / Austriackie Forum Kultury (20.11.2017 – 19.01.2018) gezeigt und wird nun im Grazer Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien in erweiterter Form präsentiert. Die Ausstellung wird von einem Rahmenprogrammm und Beiträgen auf der Online-Plattform des KM–Journal begleitet (journal.km-k.at)