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„The most immediate art form, which aspires to the immediacy of political action itself. Ideally, performance means getting down to the bare bones of aesthetic communication – artist/self confronting audience/society." 1 Lucy Lippard (1981)

Das Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien freut sich auf die Gruppenaus- stellung „Yes, but is it performable? Untersuchungen des performativen Paradoxes" im Rahmen des diesjährigen steirischen herbst aufmerksam zu machen. Das Künstlerhaus lädt internationale Künstler_innen nach Graz ein, welche sich in unterschiedlichen Auseinandersetzungen mit aktuellen Fragen des Performativen und den vielfältigen Definitionen von Performance widmen. Ob rein an den Moment der Aufführung vor Publikum oder doch ausschließlich an den Körper der Darsteller_in gebunden, um diese Geheimnisse einer der unberechenbarsten künstlerischen Aktionsformen zu ergründen, werden über den zwei Ebenen des Hauses jüngere Arbeiten in aktivierender dialogischer Gegenüberstellung zu zentralen Werken historischer Vorläufer_innen ausgestellt.

Das aufwendige Experiment entwickelt sich stetig von der Eröffnungsperformance „Borders, Bowels“ (2016) von Sarah Mendelsohn und Fred Schmidt-Arenales ausgehend, indem während der Festivaldauer jeden folgenden Mittwoch zwei bis drei neue Arbeiten in die Ausstellung hinzukommen und zusätzlich die Live-Settings der im Ausstellungsraum stattfindenden Performances auch als Objekte vor Ort verbleiben. Erst ab und mit dem letzten der insgesamt vier Eröffnungsabende wird die Ausstellung am 12. Oktober somit komplett sein und ändert sich von da an bis zum Ausstellungsende nicht mehr weiter.

Ob ein Ensemble aus Kleidungstücken, Spiegeln und einem Video der Spiegelperformance aus dem Jahre 1969 der amerikanischen Performance- und Video-Künstlerin Joan Jonas, ein Konzeptblatt zur Arbeit „I AM BEATEN" (1973) von VALIE EXPORT oder Vorstudien zu bzw. Videodokumentationen von Performances von Renate Bertlmann, „Yes, but is it performable? Untersuchungen des performativen Paradoxes" hinterfragt mit verschiedenen Exponaten aus unterschiedlichen Entwicklungsphasen einer Performance, stets die Trennbarkeit von Künstler_in und Werk und zeigt Performance als zeitlich singuläre Artikulation des Besonderen in ihrer flüchtigen Doppelwirkung als „künstlich“ sowie „wirklich“.

Die in den Performances oder in ihrer Dokumentation zum Einsatz kommenden Medien sind ebenso Teil der Untersuchungen um das Wesen des Performativen wie auch die immergrüne Frage, ob die in Aufführungssitua- tionen des Performativen stets vermutete Binarität zwischen aktiv (Performer_in) versus passiv (Zuschauer_in) eine Performance bedingt oder ob sie nicht doch an einer Überwindung dieser mitarbeitet. In gleicher Weise trägt so die mündliche Weitergabe der Eindrücke des Performance-Publikums nach wie vor zur Rezeption über deren Inhalt und Funktionieren bei und hält die Ausstellungsstruktur überdies lebendig.

Im Falle des Ausstellungsbeitrags von Stuart Brisley wird nicht nur die Fotodokumentation der Arbeit „12 Days“ (1975) gezeigt, sondern wird diese auch erstmals um schriftliche Kommentare, im Rahmen eines während der Ausstellung im Jahr 1975 durchgeführten Schulprojektes eingeladener Schüler_innen aus Rottweil, welche von instinktiver Ablehnung bis glühender Verteidigung des Künstlers und seiner künstlerischen Praxis reichen, ergänzend präsentiert.

Um Künstler_innen, für deren Praxis die im Leitmotiv des steirischen herbst thematisierte Verschiebung kultureller Kartografien seit jeher von prägender Bedeutung waren, handelt es sich bei Katalin Ladik und Alex Mlynárčik. So zählen die aktuell eine Wiederentdeckung erfahrenden Werke der radikalen Performerin Katalin Ladik sowohl zur ehemals jugoslawischen als auch ungarischen künstlerisch-feministischen Avantgarde. Von der Künstlerin werden unter anderem ihre zentrale Videoarbeit „Poemim“ (1980) sowie die Fotoserie „Pseudopresence“ (1972) zu sehen sein.

Mit „Tag der Freude“ (1971), einer filmisch Dokumentation einer Happening gleichen Aktion Alex Mlynárčiks unter Einbeziehung zahlreicher Mitwirkender, ist eine Arbeit zu sehen, die eine seiner realitätserweiternden Fusionen von Kunst und Leben zeigt, die bemerkenswerterweise gelangen ohne die Beteiligten, Dinge oder die Umgebung groß zu verändern, zu beeinflussen oder zu adaptieren.

Neben einfachen und wenigen Mittel ist es vor allem ihr eigener Körper, welchen die Künstlerin Regina José Galindo in ihren aktionistischen Performances einsetzt und an die im Ausstellungstitel angesprochenen Grenzen der Aufführbarkeit bringt. Dabei setzt sie sich Extremsituationen aus, deren physischer und psychischer Druck auch in den Dokumentationen spürbar bleibt, wie besonders auch in ihren beiden Videoarbeiten „Caparazón“ (2010) und „Tierra“ (2013) nachvollzogen werden kann.

Ausgehend vom Werk und Leben der Künstlerin Gina Pane untersucht Stefanie Seibold in ihrer Archiv-Installation Formen gesellschaftlicher Performativität und Möglichkeiten ihrer Transformierung. Mittels Aneignungen und Wiederaufführungen zeigt die Künstlerin Performance und Performancegeschichte als ebenfalls performbaren Möglichkeitsraum für künstlerisch-investigative Untersuchung und aktive Neudeutung sowie für Hinterfragung ihrer inhärenter Mythologisierungsfallen.

Die in den fortschreitenden Ausstellungsszenarien sich ereignenden und eigens konzipierten Performances von Sarah Mendelsohn / Fred Schmidt-Arenales, Karl Karner / Linda Samaraweerová, Nezaket Ekici und abschließend Marie Karlberg vermitteln eindringlich die zeitlose Kernattraktion des Mediums Performance für Künstler_innen jeder Generation als ein unmittelbares Vehikel für Ideen und Aktion.

1 Lippard, Lucy (1981, March 25). The angry month of March. The Village Voice, S. 91.