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Claude Cahun 1894 – 1954 Die Neue Galerie zeigt die bisher erste Ausstellung der Künstlerin und Schriftstellerin Claude Cahun (1894-1954), deren Werk von der Kunstgeschichte vollkommen verdrängt und vergessen wurde, das aber vor dem Hintergrund der gegenwärtigen "gender-discussion" neu bewertet werden muß.

Die Fotomontagen und inszenierten fotografischen Selbstdarstellungen Cahuns haben zentrale künstlerische Positionen der 80er Jahre wie auch strukturalistische und poststrukturalistische Subjekt-Theorien vorweggenommen. Cahun hat das Subjekt sprachlich begründet und als Sprachspiel definiert. Durch ein sich ständig bewegendes und veränderndes Selbst wollte Cahun das Geschlecht vieldeutig machen und der Dyade männlich/weiblich entkommen.

Statt sich mit dem anderen Geschlecht zu identifizieren, das immer noch der Logik der Dyade entspricht, sucht sie ein drittes, undefinierbares Geschlecht. Diese radikale Position hat sogar den surrealistischen Blick verstört. Denn auch die Ideale der Weiblichkeit der Surrealisten, deren Milieu Cahun nahestand, waren relativ konservativ. Allein die Analytikerin Joan Rivière hat in einem Text von 1929 erkannt, daß es keine wesenhafte Identität der Frau gibt, sondern eben die Konstruktionen und Maskeraden der Frau aufgrund der kulturellen Konditionierung "die Frau an sich" bilden. Deswegen schrieb Claude Cahun in ihrem Hauptwerk "Aveux non avenus" (1929-30): "Unter dieser Maske eine andere Maske. Ich werde nicht aufhören, all diese Gesichter abzuziehen." Diese Zeilen umrahmen eine Fotomontage, auf der einem einzigen Hals eine Reihe von Gesichtern entwachsen, die immer wieder Cahun in verschiedenen Masken darstellen. Die Folge von immer wieder anders geschminkten Augen, Wangen und Lippen betont die Künstlichkeit und Flexibilität eines einzigen Gesichts bzw. Geschlechts und artikuliert erstmals die postmoderne Position der Konstruierbarkeit von Identität.

Pressetext

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Claude Cahun - Selbstdarstellungen
Kuratoren: Dirk Snauwaert, Peter Weibel
In Zusammenarbeit mit Kunstverein München und Fotografische Sammlung, Museum Folkwang, Essen