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Eröffnung: 18. September 2008, 19 Uhr

Die erste Ausstellung der Generali Foundation unter neuer Leitung untersucht das poetische und subversive Potential von Sprache. Gleichzeitig wird ein anderer Blick auf die bestehende Sammlung geworfen durch ihre Kontextualisierung mit Arbeiten, die Desiderata für eben diese darstellen.

(…) Künstler, Graphiker, Lithographen und Maler haben den Weg versperrt, der ganz natürlich von der ersten Verbindung zur zweiten zu führen scheint, vom Buchstaben zum Wort, und haben einen anderen Weg eingeschlagen, der nicht der Weg der Sprache ist, sondern der Schrift, nicht der Kommunikation, sondern der Signifikanz: ein Abenteuer, das am Rande der angeblichen Zwecke der Sprache angesiedelt ist, und gerade dadurch im Zentrum des Spiels.

(Roland Barthes, "Der Geist des Buchstabens", 1970)

Die Bewegung von Sprache, die Steigerung ihrer allusiven und dekonstruierenden Eigenschaften, steht im Mittelpunkt der in der Ausstellung gezeigten Werke. Was Stéphane Mallarmé (1842-1898) in "Un Coup de dés – Ein Würfelwurf" (1897) vorgedacht hat, ist im 20. Jahrhundert zu einem integrativen Bestandteil des poetologischen Vokabulars geworden: Sprache als Konvention zu entlarven, die dazu da ist, Individuen zu disziplinieren und sie einem geregelten System der kapitalistischen Verwertbarkeit zu unterwerfen. Dagegen soll die Sprache einer Revision unterzogen werden und ihren imaginativen Freiraum zurückerobern, indem sie ihrer zweckgerichteten Bestimmung entrissen wird. Das Überdenken und Aushebeln eingeschliffener Rhetoriken der Herrschaft erfolgt durch Techniken der Wiederholung, der syntaktischen Verrückung, der Reduktion bis zur Absenz, der Montage oder der alogischen Konfrontation mit der Dingwelt.

Marcel Broodthaers (1924-1976), eine Schlüsselfigur der Postavantgarde, ging einen noch radikaleren Weg als Mallarmé und wandte sich zunächst in einem performativen Akt von der „brotlosen“ Poesie ab und der „zugkräftigeren“ Kunst zu. Er goß 50 Exemplare seiner schlecht verkauften Gedichtsammlung "Pense-Bête" in Gips und stellte sie als Skulptur dem Kunstmarkt zur Verfügung. Um Broodthaers herum und in unterschiedlichem Bezug zu ihm gibt es ein reiches direktes oder indirektes Verweissystem zu den in der Ausstellung gezeigten Werken. Seine Untersuchung der Sprache sowie jene der KünstlerInnen der Ausstellung erstreckt sich auf ein Bezugsfeld des Intermedialen: Sprache kommt in Buch, Film, Video, Projektion, Objekten, Texten und Performances zu Wort. Die Buchstaben lösen sich aus dem Buch, sie schleusen sich als eine Art Störfaktor des Geläufigen in den Fluss des Medialen ein und besetzen den Raum in enigmatischer und gleichermaßen sprachkritischer Form neu.

Das Thema der Ausstellung könnte auch Lewis Carrolls "The Hunting of the Snark" (1878) entnommen sein: Matrosen sehen sich einer leeren Seekarte gegenüber, die nur an den Rändern bezeichnet ist – "A perfect and absolute blank", die der freien Interpretation preisgegeben ist, da "Zeichen ohnehin nur Konvention" sind. Eine abenteuerliche Reise in den Raum der Poesie mit den Mitteln der Subversion: Zufall, Leere, Spiel, Travestie, Suggestion, Parrhesia.

Zur Ausstellung erscheint eine Publikation. Mit Texten von Sabine Folie, Gabriele Mackert, Michael Newman, Jacques Ranciere, Anna Sigridur Arnar u. a.

UN COUP DE DÉS Mit Werken von Robert Barry, Lothar Baumgarten, Marcel Broodthaers, Theresa Hak Kyung Cha, Rodney Graham, Ulrike Grossarth, Jaroslaw Kozlowski, David Lamelas, Ewa Partum, Klaus Scherübel, Dominik Steiger, Ana Torfs, Peter Tscherkassky, Joëlle Tuerlinckx, Ian Wallace u. a.

Kuratorin: Sabine Folie Kuratorische Assistenz, Ausstellungsproduktion: Georgia Holz

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UN COUP DE DÉS
Bild gewordene Schrift.
Ein ABC der nachdenklichen Sprache
Kuratoren: Sabine Folie, Georgia Holz

mit Robert Barry, Lothar Baumgarten, Marcel Broodthaers, Theresa Hak Kyung Cha, Rodney Graham, Ulrike Grossarth, Jaroslaw Kozlowski, David Lamelas, Ewa Partum, Klaus Scherübel, Dominik Steiger, Ana Torfs,
Peter Tscherkassky, Joëlle Tuerlinckx, Ian Wallace