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Eröffnung: Freitag, 29.06.2007, 19 - 21 Uhr

Die Berliner Kuratorin Anna-Catharina Gebbers präsentiert über den Sommer im Heidelberger Kunstverein eine Gruppenausstellung der besonderen Art: 52 Nichtkunstsammlungen zahlreicher Künstler und Kuratoren. Darunter finden sich Objekte der Begierde und Artefakte, Alltagsgegenstände und Fundstücke, die häufig den Spielgrund bilden, auf dem später Kunstwerke und kuratorische Konzepte gedeihen, sie werfen aber auch Fragen auf, die das Sammeln im Generellen und die Regeln der Kunstwelt im Speziellen betreffen.

Die Ausstellung entführt in verborgene Reiche und imaginäre Orte der Leidenschaften und Obsessionen und in einigen Fällen ist die Nähe zwischen künstlerischer bzw. kuratorischer Arbeit und Sammlung offensichtlich, manchmal sind aber auch gerade die Gegensätze auffällig. So präsentiert der Documenta-Teilnehmer Olaf Metzel seinen Fundus von Aschenbechern, Katja Strunz zeigt ihre Ohrring- und Broschen-Sammlung und vom Venedig-Biennale-Teilnehmer Thomas Scheibitz ist ein Zusammenschnitt unzähliger Filmanfänge zu sehen. Udo Kittelmann (MMK Frankfurt) stellt erstmals seine Sammlung von Espresso-Tassen vor, Christoph Heinrich (Hamburger Kunsthalle) demonstriert mit einer umfassenden Sammlung von Duschhauben das museale Erfassen von Beständen und Phillip van den Bossche (Van Abbemuseum, Eindhoven) verblüfft mit einer spektakulären Sammlung von Atomium-Modellen.

Durch die Exposition erwacht das Skandalöse im alltäglichen Banalen, ein lapidarer Gegenstand wird plötzlich zu einer autonomen Plastik und es entsteht eine inszenierte Welt mit eigenen Regeln, die sich externen Formen der Legitimierung entzieht. Vielleicht weht auch ein Hauch von Nekrophilie über die ihrer Funktion beraubten, erstarrten Gegenstände: Der Betrachter wird zum Flaneur durch eine Welt der Objekte, die Geister oder Spuren von Sinnzusammenhängen sind. Es ist ein Spiel mit den potentiellen Gebrauchsmöglichkeiten, die die traditionellen Vorstellungen vom Umgang mit Kunst unterlaufen. Formen und Dinge werden erhöht, ästhetisch aufgewertet und möglicherweise irgendwann doch Opfer eines Wertewandels und entsorgt.

Der Titel „re-dis-play“ verweist zum einen darauf, dass das Spiel mit der voyeuristischen Schaulust und dem Exhibitionieren privater Leidenschaften ein Wiederholungsspiel ist: Die Hoffnung, dass ein Sammler sich in seiner Sammlung offenbart, bleibt zumeist ebenso unerfüllt wie die subjektivistische Annahme, dass die Werke eines Künstlers ein narzisstischer Spiegel seines genialischen Selbst sind und in Selbstgenügsamkeit aufgehen. Auch als Sammlungsmotivationen lassen sich nicht nur biografische, sondern ebenso zeitgeistige, zufällige wie wissenschaftliche oder politische Gründe feststellen.

Zum anderen thematisiert der Titel „re-dis-play“ die Wiederholung einer Präsentation, die möglicherweise zuvor im Warenangebot eines Ladens stattgefunden hat und das zweite Leben, das den Dingen durch ihre Präsentation im Kunstkontext zu Teil wird. Und umgekehrt ist die Zurschaustellung von Kunstwerken im institutionellen Rahmen nicht nur eine Re-Präsentation des kunsthistorischen, sondern auch des zumeist damit einhergehenden und steigenden Marktwertes einer „Arbeit“.

Der aktuelle Diskurs über das Verhältnis von Affektion und Reflexion in der Kunst und ihrer Rezeption lässt sich auch auf das Ausstellungs-Display aus weiten: Die Grenze zwischen naturkundlicher oder völkerkundlicher Museumspräsentation und White Cube verläuft u.U. zwischen der Erlebnis-Architektur eines Freizeitparks und der vollkommen aseptisch funktionalen Ausstattung der Pathologie-Abteilung. Das Display und die Dinge selbst werden damit zu Bedeutungsträgern, die Wissen generieren und es sind ihre Biografien, die sich als Träger von Aussagen über die Welt erweisen. Die Heidelberger Präsentation verhandelt, wie das Materiale, die Objekte und Objektkonstellationen, aber auch das durch die Sammlung/Ausstellung nobilitierte Alltägliche durch ihre An ordnung einerseits das noch nicht Gedachte im künstlerischen oder kuratorischen Denkprozess präfigurieren, und wie andererseits diese Organisation des Sichtbaren Bestandteil der medialen Konstruktion von Wirk lichkeit und von „Blickregimes“ ist. re-dis-play hinterfragt die kulturelle Praxis des Sammelns, der visuellen Neu ordnung der Dinge und des Ausstellens.

re-dis-play Symposium im Heidelberger Kunstverein: 20.07.2007 19 Uhr: Johan Holten (Heidelberger Kunstverein) 21.07.2007 15-18 Uhr: Anna-Catharina Gebbers (Kuratorin der Ausstellung), Chus Martinez (Frankfurter Kunstverein), Susanne Pfeffer (Kunst-Werke Berlin)

Oktober/November 2007, Frankfurter Kunstverein: Weiterführende re-dis-play-Vortragsreihe mit Beiträgen aus unterschiedlichen Disziplinen. In diesem Zusammenhang wird eine Publikation zur Ausstellung re-dis-play erscheinen.

re-dis-play Nicht-Kunst-Sammlungen von Künstlern und Kuratoren

mit Sammlungen von folgenden Künstlern: Tjorg Douglas Beer, John Bock, Ulla von Brandenburg, Pablo Bronstein, Jonas Burgert, Ann Craven, Hannah Dougherty, Michael Dreyer, Heinrich Dubel, Berta Fischer, Christian Flamm, Alexander Heim, Uwe Henneken, Bernd Heusinger, Andreas Hofer, Richard Hughes, Dorothy Iannone, Lisa Junghanß, Karsten Konrad, Kris Martin, Michaela Melian, Olaf Metzel, Yoshitomo Nara, Manfred Pernice, Bernhard Prinz, Jen Ray, Anselm Reyle, Martha Rosler, Thomas Scheibitz, Andreas Slominski, Florian Slotawa, Katja Strunz, Michael Tewes, Patrick Tuttofuoco, Paloma Varga Weisz, Johannes Wohnseifer, Ulrich Wulff, Amelie von Wulffen, Haegue Yang

und Sammlungen von folgenden Kuratoren: Phillip van den Bossche (Van Abbemusuem, Eindhoven), Adam Carr (unabhängiger Kurator, London), Robert Fleck (Deichtorhallen Hamburg, Kurator Österreichischer Pavillon 52. Biennale der Kunst Venedig), Anna-Catharina Gebbers (unabhängige Kuratorin, Berlin), Bruce Haines (Camden Arts Centre, London), Christoph Heinrich (Hamburger Kunsthalle, ab Oktober ’07 Denver Art Museum), Matthew Higgs (White Columns, New York), Jens Hoffmann (Wattis Institute, San Francisco), Udo Kittelmann (MMK Frankfurt), Robert Meijer (EN/OF, Kleve), Susanne Pfeffer (KW Berlin), Wolfgang Schoppmann (unabhängiger Kurator, Düsseldorf), Toby Webster (The Modern Institute, Glasgow)

only in german

re-dis-play
NICHTKUNSTSAMMLUNGEN VON KÜNSTLERN UND KURATOREN
kuratiert von Anna-Catharina Gebbers, Berlin

mit Sammlungen von folgenden Künstlern:
Tjorg Douglas Beer, John Bock, Ulla von Brandenburg, Pablo Bronstein, Jonas Burgert, Ann Craven, Hannah Dougherty, Michael Dreyer, Heinrich Dubel, Berta Fischer, Christian Flamm, Alexander Heim, Uwe Henneken, Bernd Heusinger, Andreas Hofer, Richard Hughes, Dorothy Iannone, Lisa Junghanss, Karsten Konrad, Kris Martin, Michaela Melian, Olaf Metzel, Yoshitomo Nara, Manfred Pernice, Bernhard Prinz, Jen Ray, Anselm Reyle, Martha Rosler, Thomas Scheibitz, Andreas Slominski, Florian Slotawa, Katja Strunz, Michael Tewes, Patrick Tuttofuoco, Paloma Varga Weisz, Johannes Wohnseifer, Ulrich Wulff, Amelie von Wulffen, Haegue Yang

und Sammlungen von folgenden Kuratoren:
Phillip van den Bossche, Adam Carr, Robert Fleck, Anna-Catharina Gebbers, Bruce Haines, Christoph Heinrich, Matthew Higgs, Jens Hoffmann, Udo Kittelmann, Robert Meijer, Susanne Pfeffer, Wolfgang Schoppmann, Toby Webster